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Die X AG ist Eigentümerin einer Gewerbeliegenschaft. Der Mieter hat das Mietverhältnis gekündigt und das Objekt steht leer. Die X AG prüft derzeit verschiedene Varianten (Renovation und Neuvermietung, Abbruch und Neubau, Verkauf). Die Y GmbH ist ein Start-Up-Unternehmen, welche Räumlichkeiten sucht. Die Y GmbH erkundigt sich bei der X AG, ob sie die leerstehende Liegenschaft vorübergehend nutzen kann. Die X AG prüft die Anfrage und hat dabei folgende Punkte zu berücksichtigen:

Vorteile

Die zeitlich begrenzte Nutzung einer Liegenschaften verhindert einen Leerstand und damit verbundene Nachteile und bietet dem Eigentümer Schutz seiner Liegenschaft. Der Eigentümer kann konkret Bauschäden vermeiden und mindestens einen Teil der Gebäudekosten abdecken. Schliesslich kann eine Zwischennutzung auch der Imageförderung dienen, wenn die Liegenschaft genutzt wird und zum Beispiel Jungunternehmern gefördert werden.

Termingerechte Beendigung

Aus Sicht des Eigentümers ist die termingerechte Beendigung einer Zwischennutzung oft von zentraler Bedeutung. Eine Zwischennutzung ist positiv verlaufen, wenn das Gebäude zum vereinbarten Zeitpunkt komplett geräumt und die genutzten Räumlichkeiten in gutem Zustand zurückgegeben wurden. Jede Verzögerung einer anderen geplanten Nutzung (insbesondere Bauprojekt) kann teuer zu stehen kommen.

Will der Eigentümer sicher sein, dass die Zwischennutzung zeitgerecht beendet wird, darf er die Zwischennutzung nicht als Mietverhältnis ausgestalten. Die zwingenden mietrechtlichen Schutzvorschriften und Erstreckungsmöglichkeiten machen es vom Willen der Zwischennutzer abhängig, ob die Zwischennutzung vereinbarungsgemäss beendet wird. Verlangt ein Mieter eine Erstreckung, dauert es im besten Fall Monate (im schlimmsten Fall Jahre) bis der Eigentümer ihn ausweisen kann. Die Erstreckung des Mietverhältnisses droht auch dann, wenn die Zwischennutzung als Kettenmietvertragsverhältnis (Serie von befristeten Mietverträgen) geregelt wird.

Zwischennutzung als Gebrauchsleihe

Sicherheit betreffend rechtzeitiger Beendigung einer Zwischennutzung lässt sich schaffen, wenn die Zwischennutzung als Gebrauchsleihe geregelt wird:

  • Unentgeltliche Überlassung (bei entgeltlicher Überlassung einer Sache ist zwingend Mietrecht anwendbar);
  • Der Zwischennutzer (Entlehner) hat mit der geliehenen Sache sorgfältig umzugehen und sie nach dem Gebrauch zurückzugeben;
  • Der Entlehner trägt die gewöhnlichen Kosten für den Erhalt der Sache.

Bedeutung „Unentgeltlichkeit“

Unentgeltlichkeit bedeutet somit nicht, dass der Eigentümer den Zwischennutzern gar nichts in Rechnung stellen darf, um die Anwendung von Mietrecht auszuschliessen. Der Zwischennutzer hat die aus dem Gebrauch der Sache entstehenden Kosten sowie die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen. Konkret bedeutet dies, dass der Eigentümer die Nebenkosten, die gewöhnlichen Unterhaltskosten (kleinere Reparaturen) und kleinere werterhaltende Ausgaben auf die Zwischennutzer abwälzen kann. Ausserordentliche Aufwendungen sowie Lasten und Abgaben gehen hingegen zu seinen Lasten. Wenn der Zwischennutzer jedoch zur Vornahme wertsteigernder Massnahmen verpflichtet wird, verliert der Vertrag den unentgeltlichen Charakter und es liegt Miete vor.

Steht für den Eigentümer auch während der Zwischennutzung die Rendite im Vordergrund, bleibt nur der Abschluss als Mietverhältnis. Dabei ist die Beurteilung entscheidend, ob die höheren Einnahmen während einer Zwischennutzung die mit der Anwendung von Mietrecht verbundenen Risiken tatsächlich aufwiegen.

Gesetzliche Regelung / Vertragsgestaltung

Für die Dauer von Zwischennutzungen gilt auch ohne spezifische vertragliche Regelung von Gesetzes wegen Folgendes:

  • Leiht ein Zwischennutzer einen Raum für einen bestimmten Gebrauch, hat er den Raum zurückzugeben, nachdem der Raum den Zweck erfüllte oder hätte erfüllen können;
  • Wird über die Dauer und den Gebrauch eines Raums nichts vereinbart, kann der Eigentümer den Raum beliebig zurückfordern;
  • Auch wenn sich der Eigentümer mit dem Zwischennutzer auf eine bestimmte Dauer der Zwischennutzung geeinigt hat, kann er die zwischengenutzten Räume jederzeit zurückfordern, wenn der Zwischennutzer gegen die Bestimmungen verstösst;
  • Es bestehen kein Kündigungsschutz und keine Erstreckungsmöglichkeiten.

Im Gegensatz zum Mietvertrag, dessen zentrale Form- und Schutzvorschriften zwingender Natur sind und durch abweichende Vereinbarungen nicht ausgehebelt werden können, lässt sich ein Gebrauchsleihvertrag frei ausgestalten:

  • Keine gesetzlichen Formerfordernisse und damit Vereinfachung der Administration;
  • Beliebige Befristung oder Kündigungsmöglichkeiten;
  • Verbindung der Gebrauchsleihe mit Auflagen und Pflichten für den Entlehner, solange damit die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung nicht in Frage gestellt wird.

Fazit

Stehen bei einer Zwischennutzung für den Eigentümer nicht Ertragsmaximierung, sondern zeitliche Planbarkeit und Flexibilität im Vordergrund, ist nicht Miete, sondern Gebrauchsleihe die ideale Vertragsform. Sie erlaubt dem Eigentümer, die Dauer der Zwischennutzung festzulegen, ohne sich den mietrechtlichen Erstreckungsrisiken auszusetzen und auferlegt dem Zwischennutzer strenge Sorgfalts- und Haftungspflichten.

lic. iur. Rolf Bickel

Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Partner