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Bauland ist knapp. Verdichtetes Bauen drängt sich auf. Durch Abbrucharbeiten auf dem Nachbargrundstück, durch einen Baugrubenaushub oder eine Baugrubensicherung an der Grundstücksgrenze oder durch Pfählarbeiten können Absenkungen oder Risse am eigenen Gebäude entstehen. Oft kommt es vor, dass Schäden festgestellt werden, wenn die Bauarbeiten noch ausgeführt werden oder bereits beendet sind. Damit Schäden nachgewiesen werden können, sollte vor Baubeginn eine Bestandesaufnahme in Form eines Rissprotokolls erstellt werden.

Im Interesse der beteiligten Parteien

Schäden an Nachbargebäuden müssen von der Bauherrschaft auf eigene Kosten behoben werden. Artikel 685 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) regelt die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers: „Bei Grabungen und Bauten darf der Eigentümer die nachbarlichen Grundstücke nicht dadurch schädigen, dass er ihr Erdreich in Bewegung bringt oder gefährdet oder vorhandene Vorrichtungen beeinträchtigt.“. Die Ansprüche des geschädigten Nachbarn ergeben sich aus Art. 679 ZGB: „Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.“. Im Streitfall müssen die betroffenen Nachbarn den entstandenen Schaden beweisen können. Das Rissprotokoll hilft bei der Beweisführung. Die Bestandesaufnahme vor Baubeginn dient aber auch dem Bauherrn zur Abwehr von unberechtigten Forderungen. Es liegt deshalb im Interesse der beteiligten Parteien, den aktuellen Zustand der betroffenen Gebäude vor Baubeginn zu dokumentieren. Keine der Parteien will langwierige Diskussionen oder ein Gerichtsverfahren führen, wenn es auch anders geht.

Rissprotokoll – Wie vorgehen?

Das Rissprotokoll sollte vom Bauherrn zusammen mit den Nachbarn erstellt werden. Idealerweise einigen sich die Parteien auf einen Sachverständigen. Auch die Finanzierung des Protokolls sollte vorab geregelt werden. Das vom Sachverständigen zu erstellende Rissprotokoll sollte sodann eine systematische und umfassende visuelle Aufnahme von Rissen und Schäden eines Objektes gemäss der Schweizer Norm SN 640 312a mit Protokoll beinhalten. Risse und Schäden werden markiert, gemessen, fotografiert, beschrieben und im Rissprotokoll dokumentiert. Die Aufnahme erfolgt vor Baubeginn und wird bei Bedarf mit Zwischenkontrollen und mit einer Schlusskontrolle ergänzt.

Der Bauherr weigert sich – Was unternehmen?

Will der Bauherr kein Rissprotokoll oder kein korrektes Rissprotokoll erstellen lassen, sollte der benachbarte Grundeigentümer dies nicht hinnehmen. Der benachbarte Grundeigentümer kann selber einen Sachverständigen beiziehen und ein Rissprotokoll erstellen lassen. Der benachbarte Grundeigentümer kann beim Bezirksgericht auch ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung stellen. In diesem Fall wird das Gericht einen Sachverständigen mit der Erstellung des Rissprotokolls beauftragen. Einem solchen (gerichtlichen) Rissprotokoll kommt erhöhter Beweiswert zu.

Schlusskontrolle

Nach Abschluss der Bauarbeiten ist eine Schlusskontrolle durchzuführen. Im Idealfall können die Parteien allfällige Schäden einvernehmlich regulieren. Sollte dies nicht gelingen, hat der benachbarte Grundeigentümer seine Forderung gerichtlich geltend zu machen. Wie bereits ausgeführt, ist dies ohne entsprechende Beweismittel schwierig. Deshalb sollte jeder Eigentümer aufmerksam sein, ob in seiner Nachbarschaft eine Bautätigkeit bevorsteht. Besteht ein Schädigungspotential, sollte die Erstellung eines Rissprotokolls verlangt werden, zunächst direkt bei der Bauherrschaft und – im Weigerungsfall – bei einem (privaten) Sachverständigen oder beim Gericht.

Dem Bauherrn ist zu empfehlen, früh mit den Nachbarn den Kontakt zu suchen, sein Bauprojekt zu erläutern und die Bedenken der Nachbarn aufzunehmen.

lic. iur. Rolf Bickel

Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Partner