Der Architekt übt neben seiner Rolle als Planverfasser eine Vielzahl von weiteren Aufgaben im Rahmen eines Bauprojekts aus. Dem Bauherrn ist oftmals nicht bewusst, welche Rechte und Pflichten sich aus der Zusammenarbeit mit dem Architekten ergeben. Der nachfolgende Beitrag widmet sich dieser Thematik.
Um sich mit Rechten und Pflichten von Vertragsparteien überhaupt auseinandersetzen zu können, ist zuerst zu prüfen, welchen Regeln das Rechtsverhältnis überhaupt unterliegt. Mangels klarer Vereinbarung löst dies aber oftmals die ersten Unsicherheiten und Fragen aus. Hinzukommt, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Architektenrecht keineswegs einheitlich ist. Die nachfolgenden Grundsätze fassen die wichtigsten Eckpunkte zur Charakterisierung der Rechtsverhältnisse zusammen:
- Der schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) hat ein breit angewendetes Normenwerk anerkannter nationaler Regeln der Baukunde geschaffen. Allerdings gelten diese SIA-Normen nur, wenn die Parteien sie ausdrücklich für anwendbar erklären. Ansonsten finden ausschliesslich die gesetzlichen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) Anwendung.
- Ob Werk- oder Auftragsrecht massgebend ist, hängt von der Art der Aufgaben des Architekten ab:
- Ist ein Architekt verpflichtet, Pläne, Gutachten, Protokolle oder Submissionsunterlagen zu erstellen, findet Werkvertragsrecht (Art. 363 ff. OR) Anwendung.
- Beauftragt der Bauherr den Architekten hingegen mit der Arbeitsvergabe, der Bauaufsicht oder der Erstellung eines Kostenvoranschlags, so ist Auftragsrecht (Art. 394 ff. OR) anwendbar.
- Wenn der Architekt sowohl werkvertragliche als auch auftragsrechtliche Aufgaben wahrnimmt, handelt es sich um einen gemischten Vertrag. Diesfalls findet das Recht der spezifischen Einzelleistung Anwendung. Die Auflösung eines Gesamtvertrages richtet sich jedoch immer nach Auftragsrecht. Daher kann der Vertrag jederzeit von beiden Parteien aufgelöst und gekündigt werden. Eine Kündigung zur Unzeit führt zu entsprechenden Schadenersatzpflichten gegenüber dem Vertragspartner.
In der Praxis bieten folgende Themen oftmals Konfliktpotenzial:
- Kostenüberschreitungen,
- Nichteinhaltungen von Fristen und Terminen,
- Baumängel infolge mangelhafter Planung oder Ausführung,
- Falsche Beratung.
Zu den aufgeführten Themen kann – unabhängig von der vertraglichen Grundlage – Folgendes festgehalten werden:
Kostenschätzung und -kontrolle
Um Kostenüberschreitungen zu verhindern, ist der Architekt verpflichtet, die Kosten eines Bauvorhabens zu schätzen. Gleichzeitig ist er gehalten, die Kostenentwicklung laufend zu dokumentieren. Kommt der Architekt diesen Verpflichtungen nicht nach, kann dies zu einer Haftung des Architekten für den dem Bauherrn hieraus entstandenen Schaden führen. Die Beweislast für den Nachweis des Schadens trägt der Bauherr. Soweit dies allerdings über den mit dem Architekten vereinbarten Toleranzbereich des Kostenvoranschlags – z.B. +/- 10 % – geht, wird das Verschulden des Architekten vermutet. Der Architekt riskiert bei unsorgfältiger Tätigkeit eine Honorarkürzung.
Beratungspflicht
Bei sämtlichen Fragen, welche die Vertragsabwicklung mit sich bringt, hat der Architekt den Bauherrn entsprechend zu beraten. Dies betrifft jedoch nicht nur die rein baulichen Fragen, sondern z.B. auch Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Werkvertrages, d.h. auch rechtliche Fragen. Auch muss der Architekt auf die Notwendigkeit des Abschlusses einer Bauherrn- oder Bauwesenversicherung hinweisen. Führt der Verstoss gegen diese Beratungspflicht zu einem Schaden, so haftet der Architekt dem Bauherrn dafür.
Termin- und Fristenmanagement
Der Architekt ist gehalten, die vereinbarten Leistungen termingerecht zu erbringen. Ob die Nichteinhaltung von Fristen Haftungsfolgen auslöst, hängt davon ab, ob es sich um verbindliche Fristen handelt. Dies ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Die Nichteinhaltung von verbindlichen Terminen und Fristen berechtigt unter Umständen zur Honorarkürzung.
Planung
Zum Pflichtenheft des Architekten gehört auch die Planung. In Bezug auf Planungsfehler kann auf die Ausführungen zur falschen Kostenschätzung verwiesen werden. Die Erstellung von Plänen untersteht dem Werkvertragsrecht, was eine kausale Haftung des Architekten zur Folge hat. Ein Verschulden ist nicht erforderlich. Der Bauherr kann daher Planungsfehlern alternativ Minderung, Wandelung oder Nachbesserung verlangen. In der Praxis bedeutsam sind Mängelfolgeschäden (z.B. Baumängel oder Ertragsausfall) aufgrund eines fehlerhaften Planes. Bei Mangelfolgeschäden haftet der Architekt jedoch nur, wenn ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Mängel des Bauwerks infolge von Planungsfehlern des Architekten verjähren grundsätzlich innert fünf Jahren.
Rechte des Bauherrn
Eine Haftung des Architekten entsteht nicht allein aufgrund seines Fehlverhaltens. Erforderlich ist vielmehr eine Rüge des Bauherrn bezüglich des entsprechenden Mangels. Je nachdem ob es sich um werk- oder auftragsrechtliche Leistungen handelt, ist der Zeitpunkt der Rüge unterschiedlich. Im Werkvertragsrecht ist der Bauherr verpflichtet, das Bauwerk nach Ablieferung umgehend zu prüfen. Entdeckt er im Rahmen dieser Prüfung Mängel, so sind diese sofort zu rügen, sonst gilt das Werk als akzeptiert. Bei der Anwendung von Auftragsrecht hat der Bauherr mehr Zeit für die Überprüfung. Bei Vereinbarung der SIA-Ordnung 102 kann der Bauherr Mängel am Bauwerk während der ersten zwei Jahre nach der Abnahme jederzeit rügen. Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass gerügte Mängel nicht nach fünf Jahren verjähren – sofern der Bauherr die Verjährungspflicht nicht mittels z.B. Klage oder Betreibungsbegehren unterbricht.
Pflichten des Bauherrn
Nicht nur der Architekt hat Pflichten, sondern auch der Bauherr. Letzterer ist verpflichtet, das vereinbarte Honorar zu bezahlen. Die Durchsetzung des Honorars stellt bei umstrittenen Leistungen des Architekten bei vorhandener Zahlungsfähigkeit des Bauherrn grundsätzlich kaum ein Problem dar.
Schutzrechte des Architekten
Der Architekt hat Anspruch darauf, dass sein Arbeitsergebnis, unabhängig davon, ob es sich um Pläne oder um das vollendete Bauwerk selber handelt, nicht beliebig verändert wird. Das Gesetz schützt die schöpferische Leistung des Architekten in vielerlei Hinsicht (Urheberrechtsgesetz, Designgesetz, Gesetz über den unlauteren Wettbewerb).
Fazit
Wie eingangs des Beitrags aufgezeigt wurde, ist nach Art der Teilleistung des Architekten zu unterscheiden, ob das Verhältnis zwischen Bauherr und Architekt auf Werk- oder Auftragsrecht beruht. Je nachdem bestehen unterschiedliche Ansprüche an den Vertragspartner, insbesondere auch im Haftungsfall. Die Verantwortung des Architekten gegenüber dem Bauherrn hinsichtlich Planung, Beratung sowie Termine und Kosten ist nicht zu unterschätzen, zumal die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Anforderung an die Sorgfalt des Architekten verschärft hat.